Als ich in meiner Ausbildung den Artikel von Thomas Verny las, fühlte ich mich, als würde er direkt mein Herz und meine Seele ansprechen. Kennst du das Gefühl, wenn du etwas liest und dich vollständig abgeholt und bestätigt fühlst? Andererseits aber auch irgendwie traurig, weil du dir denkst, eigentlich könnte vieles leichter sein, wenn gewisse Dinge ge- oder verändert würden?

In Thomas Vernys Artikel „Build Babies not Jails“ schreibt er, dass der Ursprung von Gewalt weit vor ihrer Manifestation liegt und in den frühen Lebensjahren zu finden ist. Dabei hebt er die entscheidende Rolle einer liebevollen und unterstützenden Umgebung während der Schwangerschaft und danach hervor.

Als Bezirksrätin und in der psychologische Beratungen, habe ich selbst die langfristigen Auswirkungen von Kindheitserfahrungen auf das Verhalten gesehen. Ich kann Vernys Schlussfolgerungen daher bestätigen. Seine Arbeit zeigt nicht nur die Komplexität der menschlichen Entwicklung, sondern fordert auch eine tiefgreifende gesellschaftliche Veränderung hin zu mehr Unterstützung für die frühe Kindheit. In diesem Artikel gehe ich näher auf den Artikel ein und gebe Beispiele aus meiner Arbeit.

Bindung als Schlüssel zur Gewaltprävention

In meiner Ausbildung habe ich den Artikel von Dr. Thomas Verny gelesen.“Build Babies not Jails – Die Bedeutung pränataler und postnataler Bindung für die Gewaltprävention“ geschrieben für das Journal for Prenatal&Perinatal Psychology and Health. In dem Artikel spricht er über die Entwicklung der gewalttätigen Persönlichkeit von der Empfängnis an. Er argumentiert, dass Gewalt nicht mit Gewalt oder Gefängnissen bekämpft werden kann. Hilfreicher ist bewusste prä- und postnatale Elternschaft. Diese sollte von sozialen Einrichtungen, Gesetzen und Praktiken, die sich um die Bedürfnisse der insbesondere benachteiligter Eltern, kümmern, unterstützt werden.

Gewaltprävention durch Mutterkind Bindung

Unsere Erfahrungen machen uns krank oder eben nicht….

Der Artikel betont die Bedeutung des pränatalen und postnatalen Umfelds für die Entwicklung eines Menschen im Bezug auf Gewalt. Dies kann ich durch meine Erfahrung im Coaching von Erwachsenen bestätigen. Ich weiß aber auch, dass es nicht nur auf Gewalt festzulegen ist, sondern die gesamte Persönlichkeitsentwicklung und viele psychische Diagnosen (Bipolare Störungen, Depressionen, Suizid, ADHS, Autismus, Diabetes, etc.) betreffen kann.

Vernachlässigung, Ablehnung, Demütigung, körperliche Misshandlung und sexueller Missbrauch sind dafür verantwortlich, ein unschuldiges Kind in eine kalte, grausame und bösartige Person zu verwandeln. Er argumentiert, dass die Prävention von Gewalt nicht erst nach der Geburt beginnen sollte, sondern bereits während der Schwangerschaft durch bewusste elterliche Fürsorge und Unterstützung der schwangeren Eltern, insbesondere der benachteiligten Eltern.

Elternbildung und professionelle Begleitung ab der Zeugung für eine Gesunde Gesellschaft

Es gibt bereits viel Wissen & Forschung, aber nur wenige wissen davon. Stress macht krank und kann dumm machen. Ja das sind harte Worte, aber das ist die Realität und die ist nicht immer lieb und nett. Aber es gibt bereits viele Angebote wie Eltern und (ungeborene) Kinder unterstützt und begleitet werden können wie zum Beispiel durch Bindungsanalyse nach Hidas & Raffai. Doch wer weiß das oder wer kann sich das leisten? Verny vertritt die Meinung, dass die Gesellschaft ihre Prioritäten ändern sollte, um mehr Ressourcen und Unterstützung für die frühe Kindheit bereitzustellen, anstatt in den Bau von Gefängnissen zu investieren. Dies ist auch eigentlich logisch, denn Prävention ist immer die günstigere Variante als etwas im Nachhinein reparieren zu wollen/versuchen.

Er sagt weiterhin, dass die Investition in die frühkindliche Entwicklung langfristig zu einer Verringerung von Gewalt und Kriminalität führen wird. Dies ist verständlich, denn Menschen werden durch ihre Erfahrungen geprägt, die sich aufstauen und irgendwann eskalieren können. Und natürlich prügelt nicht jede Person gleich auf ihr Gegenüber ein. „Sohn sticht Mutter nieder.“ „Ehemann ermordet Frau.“ „Sohn bringt Eltern im Streit um.“ Dass dies kein normales Verhalten ist, ist unumstritten. Doch dass solche Fälle immer häufiger auftreten, liest man leider immer häufiger, doch gemacht wird nichts dagegen.

Gewalt ist nicht immer eindeutig/sichtbar

Zurück zum Artikel: Es wird darauf hingewiesen, dass Gewalt in verschiedenen Formen auftritt, nicht nur in Form offensichtlicher krimineller Handlungen. Neben körperlicher Gewalt gibt es auch andere Formen der Gewalt, wie etwa die Ausbeutung von Kindern, häusliche Gewalt und sexuellen Missbrauch.

Oft kommt es aber gar nicht zur Anzeige, denn in sehr vielen Fällen werden unsichtbare psychische Wunden hinterlassen, die die betroffenen Menschen ein Leben lang beeinflussen können, aber oft nicht erkannt werden. Der Autor warnt davor, Gewalt nur aus einer einzelnen Perspektive zu betrachten, sei es sozial, politisch, psychologisch, ethnisch, kulturell, religiös oder biologisch.

Er betont die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Betrachtung und Integration verschiedener Perspektiven, um ein umfassendes Verständnis von Gewalt zu entwickeln. Die frühe Kindheit spielt eine entscheidende Rolle bei der Prävention von Gewalt. Auch die pränataler Bindung, ist wichtig für die weitere Entwicklung von Empathie und Gewissen.

Die Geschichte wiederholt sich immer wieder….

Vereinfachte Darstellung der globalen Konflikte

Wer sich wie ich mit Epigenetik befasst, weiß auch, dass sich Traumata und Erfahrungen weitervererben. Daher ist es wichtig hinzusehen und diese Aufzuarbeiten. Was mich gerade im Hinblick auf immer wieder neue oder „aufgewärmte“ Konflikte sorgen bereitet. Wie viele Kinder wachsen im Mutterleib heran wo Krieg herrscht. Wo die Mutter in der Ukraine wütend ist auf die Russen. Oder Palästinenserinnen Angst um ihr Leben haben. Afghanistan, Türkei und Griechenland, Nord/Südkroea,… Es gibt so viele Länder die sich seit Generationen Hassen und dieser Hass wird weiter vererbt… Auch wenn es niemand glaubt aber hier ein Beispiel aus meiner Praxis. Ich hatte eine Klientin, deren Kind panische Angst vor Wasser hatte. Alle Tipps und Ratschläge, die es gibt, hatte sie bereits probiert, bevor sie zu mir gekommen ist. Es gab keinen Vorfall, der die Angst vor dem Wasser erklären konnte. Durch das Besprechen der Familiengeschichte erfuhren wir folgendes. Die Oma des Kindes, in der Schwangerschaft mit der Mutter des Kindes, war beinahe ertrunken. Dieses Trauma wurde in diesem Fall auf die Enkelin übertragen.

Gewaltprävention

Aber wieder weiter zum Artikel. Verny sagt, dass die Qualität der frühen(ab Befruchtung) Bindungserfahrungen die Grundlage für die emotionale und soziale Entwicklung eines Menschen bildet. Was direkte Auswirkungen auf die Fähigkeit zur Konfliktbewältigung und Gewaltprävention hat. Dies haben bereits viele andere Forschungen bestätigt.

Am Ende plädiert er, dass auf die grundlegenden Ursachen von Gewalt geachtet werden soll, anstatt sich nur auf spätere Interventionen zu konzentrieren. In Österreich gibt es Deradikalisierung Programme welche sehr wichtig sind. Viel wichtiger ist jedoch die Extremismusprävention was leider viel zu wenig im Augenmerk ist.
Verny fordert eine umfassende gesellschaftliche Veränderung, die Investitionen in die frühe Kindheit, Elternbildung und soziale Unterstützungssysteme umfasst. Er sagt, dass es an der Zeit ist, den Fokus auf die prä- und postnatale Entwicklung zu lenken. Dadurch kann eine positive Grundlage für das Leben jedes Kindes geschaffen werden.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass dieser Artikel meinen Standpunkt unterstützt. Mehr Geld in die Prävention und Salutogenese investieren anstatt in die Reparatur.

Quelle: Basierend auf dem Artikel von Thomas R. Verny, MD, DPsych, FRCPC Journal of Prenatal and Perinatal Psychology and Health 26(1), Fall 2011

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